Woran ich arbeite

‚2025 wird eine Anthologie über das Jerichower Land erscheinen. Ich habe Porträts über mehrere Leute zu schreiben, die für das vielfältige Leben im Landkreis stehen. Wer das sein wird, verrate ich natürlich noch nicht. Aber für Anregungen bin ich stets dankbar. Ich schreibe nicht allein, sondern die Pelikan-Mitglieder sind aufgerufen, an dem Werk zu arbeiten.

Es liegen noch einige Textbausteine herum, die bei den Schaumkämmen übrig geblieben sind. Und ein Einstieg in eine utopische Erzählung. Die rufen machmal nach mir.
Und manchmal schreibe ich eine Kleinigkeit wie diese:

Wie es mir geht

Sie ist schon die Dritte. Heute früh rief Adelgunde an und fragte. Ich schälte die Bratkartoffeln, als mich Katrin anrief. Und jetzt auch noch Resi. Alle wollen wissen, wie es mir denn so gehe als Strohwitwer.

„Strohwitwer“, sagte sie. „Bist dünner geworden, brauchst schon Hosenträger. Wie gehts dir denn?“

Als wenn das einer Antwort bedarf! Und dann fragte sie: „Wie lange bleibt sie, und wo ist sie überhaupt?“

Mich verwirrt das. Wieso denn Stroh? Außerdem lebt Trixie. Ich schlage nach und finde heraus, dass man einen Mann so nennt, der vorübergehend nicht weiß, wo sich seine Partnerin aufhält. So oder ähnlich.

Ich weiß es aber. Und ich erkläre es Resi. Das braucht Zeit. Resi hat genug davon. Vermutlich hat sie im Kopf, dass Strohwitwer wie ich wegen der vorübergehend fehlenden Partnerin und der häuslichen Aufgaben, die darum nicht erteilt werden können,  Zeit haben. Mein Handy ist inzwischen heiß. Die Bratkartoffeln sehen sehr goldgelb aus, als wir unser Gespräch beenden.

Wegen des Bratendufts öffne ich das Küchenfenster.

 Ich sehe das Postauto, setze schnell die Zahnprothese ein, husche in die Latschen, schiebe die Hosenträger auf die Schultern und laufe zur Gartentür, um das lang erwartete Päckchen Angelhaken entgegenzunehmen.

Ich hätte das Laub wegfegen sollen. Jetzt ist es regennass und glatt. Die Postfrau lächelt mitfühlend, als ich mich mit schmerzenden Knien erhebe. „Alles für Trixie“, sagt sie und hält mir ein Paket Katzenfutter und zwei Büchersendungen hin.

Unter dem Laub muss ein spitzer Stein gelegen haben. Der stanzte sich durch Blätter, Hose und Haut, wo die Kniescheibe dahinter ist. „Als Strohwitwer hat man´s nicht leicht“, behauptet die Postfrau und lächelt ihr schönes Lächeln. Weiß der Kuckkuck, woher sie diese Überzeugung nimmt! Ich hätte sie gern danach gefragt, doch der Bratkartoffelduft, der eben noch aus dem Küchenfenster zu uns drang, hatte sich in beißenden Qualmgestank verwandelt.

„Ich muss da wohl mal eingreifen“, raune ich ihr zu und schicke mich an loszugehen. Das Laub ist nicht getrocknet. So lege ich einen eleganten Spagat aufs Pflaster. Ich ahne es mehr, als dass ich es sehe: Die Postfrau prustet los. Sie sagt: „Hier wird mirs zu glatt. Ich muss weiter. Aber wenn ich dir bei der Hose zu Hand gehen kann … Du Strohwitwer!“

Als sich der Qualm verzogen hatte und nur der Gestank zurückgeblieben ist, setze ich mich in die Küche und versuche, die Gedanken zu ordnen. Zuerst Hose aus. Blut abwaschen. Sogar zwei Löcher im Knie! Wo finde ich ein Pflaster? Die Packung fällt ins Waschbecken. Rasch fische ich sie aus der blutigen Brühe. Die Schere ist vermutlich in der Schublade mit Trixies Lockenwicklern. – Ist sie nicht. Ich gebe nicht auf und finde sie schließlich im Fach für allgemeinen Krimskrams in der Küche.

Ich setze mich auf einen der Küchenstühle. Der Sitz wackelt. Es ist mir wurscht. Er muss durchhalten. So wie ich. „Wir müssen die letzten paar Jahre noch überleben.“ Ich erinnere mich an die Worte meines Kollegen. Die machen Mut. Ich war beim Ordnen der Gedanken. Wie weiter?

Die Hose liegt im Bad. Um sie werde ich mich nachher kümmern. Schlimmstenfalls die lächelnde Postblondine, denke ich. Vielleicht morgen. Dabei fällt mir ein, dass ich in Unterhosen bin. Ich stelle mir vor, wie es aussähe, hätte ich die langen an und Sockenhalter. Ein Strohwitwer, der hilflos durch die Wohnung irrt. Nee, Leute, nicht mit mir! Ich weiß, wo meine Hosen hängen!

Dann gründlich Küche lüften. Das hilft ein wenig. Essig verdunsten und Kaffeepulver ausstreuen, beides nimmt den Gestank weg. Bis zum Wochenende muss alles erledigt sein. Die Pfanne mit der Kartoffelkohle in die Mülltonne. Zack!

Mein Mittagessen kann ich vergessen. Ich soll ja sowieso nicht so viel futtern, hat mir Trixie per Whats App aufgetragen, als sie schon unterwegs war. Sie bekäme auch nur Gesundes bei der Kur. Mir wird etwas Obst genügen müssen.

Ich habe ja Hosenträger.

Was Resi so alles bemerkt!

Eigentlich könnte ich nach all dem Stress ein Schnäpschen vertragen. Zur Beruhigung und seelischen Erbauung. Immerhin bin ich Strohwitwer… Na also !

Wenn ich nicht Trixies Worte im Ohr hätte: „Sonntags ausnahmsweise mal ein ganz kleines Gläschen Wein.“ Recht hat sie ja, aber leicht Reden hat sie auch. Nicht sie ist Strohwitwer, sondern ich bin’s. Manchmal sind diese neumodischen technischen Möglichkeiten hinderlich.

Siehst du, da piept es schon wieder! Hier steht: Der Stadtratsvorsitzende von der CDU ist krank, und nun soll der Vertreter von der AfD die Sitzung leiten. Da haben wir den Salat!

Ich denke über Unterschiede nach. Nicht zwischen denen, die verwischen sich schon lange.

Was ein Strohwitwer ist, wissen wir ja bereits: auf jeden Fall ein Mann. Aber nicht jeder Strohwitwer ist ein Strohmann. Das wäre einer, der als Deckmantel für ein fragwürdiges Handeln herhält. Wo dessen Partnerin ist, spielt gar keine Rolle. Wahrscheinlich kümmern sich auch andere Frauen weniger um ihn. Weil er nur so tut als ob.

Der Sitz wackelt. Aber das ist mir wurscht. Wie war’s denn früher?

 Schon wieder klingelt mein Handy. Trixie ist dran. Endlich!

„Wie geht dir’s“, fragt sie. Und:  „Was war denn so los?“

„Noch immer keine Angelhaken“, antworte ich. „Nichts gescheh’n.“